Barrierefreiheit im E-Commerce: So machst du deinen Online-Shop bis 2025 gesetzeskonform
E-Commerce
Ab Mitte 2025 sind auch B2C-Shops verpflichtet, die Standards zur Barrierefreiheit einzuhalten. Ziel ist es, dass jeder Mensch – unabhängig von seinen Fähigkeiten oder Beeinträchtigungen – uneingeschränkt am digitalen Leben teilhaben kann. Grundlage dafür ist das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Um dich frühzeitig auf diese Veränderungen vorzubereiten, widmen wir uns heute genau diesem Thema. Los geht’s!
Was bedeutet Barrierefreiheit?
Barrierefreiheit bezeichnet den Zugang und die Nutzbarkeit von Umgebungen, Produkten und Dienstleistungen für alle Menschen, unabhängig von ihren körperlichen, sensorischen oder kognitiven Fähigkeiten. Im digitalen Kontext bedeutet Barrierefreiheit, dass Websites, Online-Shops, Apps und digitale Inhalte so gestaltet sind, dass sie auch von Menschen mit Behinderungen genutzt werden können. Dies umfasst:
- Visuelle Barrierefreiheit: Inhalte sind für Menschen mit Sehbehinderungen zugänglich, z. B. durch Textalternativen für Bilder, kontrastreiche Farben und die Möglichkeit, Bildschirmleseprogramme zu verwenden.
- Hörbare Barrierefreiheit: Menschen mit Hörbehinderungen können Videos mit Untertiteln oder Audiotranskriptionen nutzen.
- Motorische Barrierefreiheit: Benutzer mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit können Websites und Apps navigieren, z. B. durch Tastatursteuerung statt Maus.
- Kognitive Barrierefreiheit: Inhalte sind so gestaltet, dass sie leicht verständlich und zugänglich für Menschen mit Lernbehinderungen oder kognitiven Einschränkungen sind.
Digitale Barrierefreiheit bezieht auch ältere Menschen sowie Nutzer:innen mit temporären oder situativen Einschränkungen, wie z. B. technische Gegebenheiten oder Erfahrungen, mit ein.
Warum digitale Barrierefreiheit?
Spätestens mit der Veröffentlichung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) am 22. Juli 2021 im Bundesgesetzblatt ist klar: Ab dem 28. Juni 2025 müssen alle im Gesetz genannten digitalen Produkte und Dienstleistungen, die auf den Markt gebracht oder angeboten werden, den gesetzlichen Barrierefreiheitsanforderungen entsprechen. Doch Barrierefreiheit sollte nicht nur als gesetzliche Pflicht betrachtet werden, sondern als ein zentraler Faktor für Inklusion, Nutzerfreundlichkeit und langfristigen wirtschaftlichen Erfolg. Hier sind einige Gründe, warum Barrierefreiheit entscheidend ist:
- Inklusion und Chancengleichheit: Barrierefreiheit ermöglicht es Menschen mit Behinderungen, gleichberechtigt am gesellschaftlichen und beruflichen Leben teilzunehmen. Sie fördert Inklusion und sorgt dafür, dass niemand ausgeschlossen wird.
- Erweiterung der Zielgruppe: Rund 15 % der Weltbevölkerung lebt mit einer Behinderung. Durch die Berücksichtigung von Barrierefreiheit können Unternehmen diese Zielgruppe besser erreichen und ihre Kundenbasis erweitern.
- Verbesserung der Nutzererfahrung: Barrierefreie Webseiten und Anwendungen sind oft benutzerfreundlicher für alle Nutzer. Funktionen wie gut strukturierte Inhalte, einfache Navigation und klare Beschriftungen kommen auch Menschen ohne Behinderung zugute.
- SEO-Vorteile: Barrierefreie Inhalte, wie Alt-Text für Bilder und eine gut durchdachte Seitenstruktur, verbessern auch die Sichtbarkeit in Suchmaschinen und tragen so zu einer besseren SEO-Performance bei.
- Image und Unternehmensethik: Barrierefreiheit zeigt, dass ein Unternehmen sozial verantwortungsvoll handelt und sich für die Bedürfnisse aller Nutzer einsetzt, was das Image und die Reputation des Unternehmens stärkt.
Nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern gibt es gesetzliche Vorschriften zur Barrierefreiheit. So wird mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) der European Accessibility Act (EAA) in deutsches Recht umgesetzt, während in den USA der Americans with Disabilities Act (ADA) ähnliche Standards regelt. Unternehmen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, setzen sich dem Risiko rechtlicher Konsequenzen aus. Im Rahmen des BFSG drohen bei Verstößen und Nichteinhaltung nicht nur Bußgelder von bis zu 100.000 Euro, es kann sogar zur Abschaltung der Webseite oder des Online-Shops kommen. Die Überprüfung der Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen erfolgt dabei stichprobenartig durch die Marktüberwachungsbehörden der Bundesländer. Sie kann aber auch durch konkrete Beschwerden von Verbrauchern, anerkannten Verbänden und Mitbewerbern initiiert werden.
Wer ist betroffen vom BFSG?
Ab dem 28. Juni 2025 gilt: Digital barrierefrei oder es drohen ähnliche Konsequenzen wie damals bei der DSGVO. Betroffen sind alle Hersteller, Händler und Importeure der im BFSG geregelten digitalen Produkte sowie Anbieter der entsprechenden Dienstleistungen (§ 1 BFSG). Doch auch hier gibt es Ausnahmen und für einige Produkte sowie Dienstleistungen gibt es sogar Übergangsbestimmungen, nach denen die Anforderungen erst zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt sein müssen:
- Ausnahme: Private und rein geschäftliche (B2B) Angebote, wobei bei B2B-Shops der Fokus für die Shop-Besucher klar ersichtlich sein muss, also kein Verkauf an Verbraucher.
- Ausnahme: Kleinstunternehmen (weniger als 10 Beschäftigten oder weniger als 2 Mio. Euro Jahresumsatz bzw. Jahresbilanzsumme überschreitet nicht 2 Mio. Euro), die die im BFSG geregelte Dienstleistungen anbieten. Achtung: Gilt nicht für Kleinstunternehmen, die Produkte herstellen!!
- Ausnahme: Unternehmen mit wirtschaftlichem Risiko durch die Barrierefreiheit können eine Befreiung von den Anforderungen beantragen.
- Übergangsbestimmungen: Für bestimmte Produkte und Dienstleistungen gelten Übergangsregelungen, die es erlauben, die Barrierefreiheitsanforderungen erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erfüllen. Diese Regelungen sind in § 38 BFSG festgelegt. Beispielsweise gibt es eine Übergangsfrist von fünf Jahren für bestimmte Dienstleistungen, während für Selbstbedienungsterminals eine Frist von 15 Jahren gilt.
Kurz: Betroffen sind alle B2C-Online-Shops außer Kleinstunternehmen im Dienstleistungsbereich. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 1 Abs. 3 Nr. 5 BFSG. Denn unter “Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr” fällt der Online-Verkauf von jeglichen Produkten oder Dienstleistungen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die verkauften Produkte selbst barrierefrei sind oder ob die Auslieferung der Dienstleitung online oder offline erfolgt.
Die Grundlagen zur Umsetzung des BFSG
Du bist betroffen? Dann muss Dein Online-Shop die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) erfüllen. Warum? Zum Gesetz, das die EU-Richtlinie (EU) 2019/882 umsetzt, gibt es eine Rechtsverordnung – die sogenannte Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV). Diese regelt die Anforderungen an Produkte und Dienstleitungen. Dies gilt unter anderem auch für Online-Shops. Die technischen Anforderungen hierfür liefert hingegen die Norm DIN EN 301 549, welche wiederum auf die Richtlinien “WCAG” der Web Accessibility Initiative (WAI) des World Wide Web Consortiums (W3C) verweist.
Das W3C ist das Gremium, das für die Standardisierung der Techniken im World Wide Web zuständig ist. Innerhalb des Gremiums gibt es eine Arbeitsgruppe namens WAI, die sich speziell mit dem barrierefreien Zugang zum Web befasst und auch die WCAG ausgearbeitet hat.
Die ursprünglichen WCAG wurden im Mai 1999 veröffentlicht (WCAG 1.0). Damit die Zugänglichkeitsstandards mit den technologischen Veränderungen Schritt halten können, wurden die Richtlinien immer wieder um neue Versionen aktualisiert.
- WCAG 1.0: Wurde 1999 veröffentlich mit Fokus auf die Umsetzung von Webinhalten in HTML und CSS
- WCAG 2.0: Wurde 2008 veröffentlicht und berücksichtigt Layouts und Interaktion sowie deren Gestaltung
- WCAG 2.1: Wurde 2018 veröffentlicht und erweitert die Vorversion um neue Gerätearten und Technologien (Tablets, Mobilgeräte)
- WCAG 2.2: Wurde 2023 veröffentlicht und enthält neun zusätzliche Kriterien zu den bestehenden Richtlinien der Stufen A, AA und AAA
- WCAG 3.0: Der erste Entwurf wurde im Mai 2024 veröffentlicht und soll neue Anforderungen berücksichtigen mit einem besonderen Fokus auf zusätzliche Tests und unterschiedliche Bewertungsmechanismen
Derzeit wird in der Europäische Norm (EN) 301 549 noch auf die Version 2.1 verwiesen. Allerdings wird auch geraten, dass man sich nach dem neuesten Stand richten soll, also Version 2.2, da die EN künftig angepasst werden soll (voraussichtlich Ende 2025). Für Dich als Betreiber Deines Online-Shops bedeutet es, dass Du aktuell die WCAG 2.1 befolgen musst. Hierzu gibt es 78 sogenannte Erfolgskriterien. Erfüllt Dein Online-Shop diese Vorgaben, so spricht man von Konformität. Da ein WCAG-konformer Online-Shop aber nicht alle Erfolgskriterien berücksichtigen muss, sind diese in drei verschiedenen Konformitätsstufen unterteilt, um den Grad der Anpassung zu verdeutlichen:
- A (niedrigste Stufe mit 30 Erfolgskriterien)
- AA (mittlere Stufe mit 20 Erfolgskriterien)
- AAA (höchste Stufe mit 28 Erfolgskriterien)
Für Dich und Deinen Online-Shop bedeutet das, dass Du alle A- und AA-Kriterien erfüllen musst. Die WCAG lässt sich dabei mit einer Zwiebel vergleichen: Wenn Du die AA-Kriterien erfüllst, deckst Du automatisch auch die A-Kriterien ab. Diese Erfolgskriterien basieren auf vier grundlegenden Prinzipien, die in mehrere Richtlinien unterteilt sind.
Die vier Prinzipien der WCAG 2.1
Die vier Prinzipien der WCAG 2.1 sind unter dem Akronym POUR bekannt und stehen für Wahrnehmbarkeit (perceivable), Bedienbarkeit (operable), Verständlichkeit (understandable) und Robustheit (robust):
- Wahrnehmbarkeit: Der Online-Shop bzw. die digitalen Informationen darin müssen für die Nutzer:innen wahrnehmbar sein (Textalternativen für Nicht-Text-Inhalte wie Bilder, Untertitel für Audio, Anpassbarkeit der Darstellung und ausreichende Kontraste durch Farben, Textgröße etc.)
- Bedienbarkeit: Der Online-Shop sollte so bedienbar sein, dass die Nutzer:innen zu den gewünschten Inhalten gelangen können (Tastaturbedienung, ausreichend Zeit bei Eingaben, Ausfallrisiken minimieren, Navigierbarkeit und Zugänglichkeit via anderer Devices)
- Verständlichkeit: Der Online-Shop sollte so gestaltet sein, dass die Bedienung nachvollziehbar ist und die digitalen Inhalte darin verständlich sind (Lesbarkeit, Vorhersehbarkeit und Eingabehilfen)
- Robustheit: Der Online-Shop sollte mit assistierenden Technologien (Webbrowser, assistierende Ausgabegeräte etc.) kompatibel sein, damit dieser den Nutzer:innen zugänglich ist
Und was hat es jetzt mit WCAG 2.2 auf sich?
Am 5. Oktober 2023 wurde die neue Version 2.2 der WCAG veröffentlicht. Dabei sind neun weitere, neue Erfolgskriterien hinzugekommen, die laut WAI insbesondere für drei Zielgruppen ausgebaut wurden: Nutzer:innen mit kognitiven oder visuellen Behinderungen sowie Behinderungen, die bei der Verwendung mobiler Geräte bestehen können. Diese umfassen die Tastaturnutzung, andere Eingabemechanismen wie die Bedienung per Touchscreen und Maus sowie weitere Unterstützung bei eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten (z.B. alternative Mechanismen für Passworteingabe und kognitive Funktionstests). Die geplanten Änderungen in der neuen Version können auf dem Portal Barrierefreiheit der Bundesregierung für Informationstechnik im Detail nachgelesen werden: WCAG 2.2
Normalerweise sind die WCAG abwärtskompatibel. Das bedeutet, dass die Erfolgskriterien der Vorgänger-Version vollständig in den aktuellen Standard übernommen werden. Das ist auch hier der Fall mit einer einzigen Ausnahme: Erfolgskriterium Syntaxanalyse (Stufe A) aus WCAG 2.1 wurde als veraltet gekennzeichnet und aus der Richtlinie entfernt.
Da die WCAG 2.2 eher eine Ergänzung zu WCAG 2.1 ist und in naher Zukunft gefordert wird, macht es durchaus Sinn, bei der Anpassung Deines Online-Shops gleich auf die WCAG 2.2 zu setzen. Zumal die WCAG abwärtskompatibel ist. Bedeutet: Wenn Du die WCAG 2.2 erfüllst, erfüllst Du auch die 2.1.
Digitale Barrierefreiheit und die dazugehörigen gesetzlichen Vorgaben mögen auf den ersten Blick überwältigend wirken und Du fragst Dich vielleicht, wo Du überhaupt anfangen sollst. Doch je intensiver Du Dich mit dem Thema auseinandersetzt, desto klarer werden die erforderlichen Schritte. Und je früher Du beginnst, desto entspannter wirst Du der gesetzlichen Frist am 28. Juni 2025 entgegensehen. Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir zusätzlich ein Online Event geplant. Nutze die persönliche Gelegenheit am 05. November 2024 und hole Dir weitere, kostenfreie Infos zu diesem Thema. Details und Anmeldung findest Du weiter unten (Veranstaltungstipp). Einfach scrollen!
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Wann: 05.11.2024
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Melde Dich am besten gleich an und werde auch Du mit Deinem Shop problemlos digital barrierefrei in 2025! Wir freuen uns auf Dich.
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